Die Seenkette und der Tagestourismus

Von einem Tagestourismus kann erst ab der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten gesprochen werden. Zwar hat der Tagestourismus eine längere Tradition, aber die Seddiner Seenkette war nicht ein erstrebenswertes Ziel für die Tagestouristen. Der Tagestourismus ab 1990 ist besonders vom Frühjahr bis zum Herbst bei schönem Wetter an den Wochenenden teils erdrückend.

  Foto Siegfried Paul
Dorfkern von Wildenbruch   
Foto Mario Spiesecke Kähnsdorf
Uferfeldweg Seddin – Kähnsdorf  

Die obigen Fotoaufnahmen entstanden zu Pfingten 2020. Im Fotobereich des Uferfeldwegs zwischen Seddin und Kähnsdorf gibt es keinen „normalen“ Zugang zum Großen Seddiner See. In jedem Fall wird der Uferbereich durch die Tagestouristen in Mitleidenschaft gezogen.

Neben dem Tagestourismus gibt es eine Wanderbewegung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland mit der Gründung von Wandervereinen seinen ersten großen Aufschwung erlebt hat. Mit Wanderbüchern warb die Wanderbewegung für sich. In einer Wanderbeschreibung mit Bezug zum Großen Seddiner See heißt es: „Rechter Hand (……) erhebt sich der Michendorfer Berg (79 m hoch), dann tritt die Straße in das freie Feld hinaus und senkt sich mehr und mehr nach dem kleinen Dörfchen Wildenbruch hinunter. Es liegt so einsam und abgelegen da, daß es vom Strom der Touristen fast nie berührt wird. Wunderbar schön sind seine altertümliche Kirche und der wild vom Grün überwucherte Friedhof. Die alten Lehmhütten und die holperige Dorfstraße muten an wie ein Stück märkischer Poesie aus längst vergangener Zeit“.1 Der sehr poetische Text könnte von Theodor Fontane stammen. Weitere Literatur oder andere schriftliche Zeugnisse zur Wanderbewegung oder dem Tagestourismus vor dem zweiten Weltkrieg habe ich bisher nicht gefunden.

Nach dem zweiten Weltkrieg hatten die Menschen andere Probleme. Es war nicht  die schöne Natur, die die Menschen veranlasste zur Seddiner Seenkette zu kommen. Aus der eigenen Kindheit weiß ich, dass die „Fremden“ in Wildenbruch hofften von den Bauern etwas Essbares zu bekommen, was es an ihrem Wohnort nicht gab oder nur mit guten Beziehungen. Angefangen von Kartoffeln über frische Milch bis zu einem Stück Speck vom Schwein.

Mit dem Mauerbau entstand noch einmal eine andere Situation. Die „Westberliner“ konnten nicht mehr kommen. Die „Ostberliner“ mussten um Westberlin herumfahren, um zur Seddiner Seenkette zu gelangen. Da gab es südöstlich über östlich bis nordöstlich von Berlin genug näher gelegene attraktive Ziele.

Die Dörfer um die Seddiner Seenkette verloren den im Wanderbuch geschilderten Scham. Es begann ein allgemeiner Verfall der Gehöfte durch die schon geschilderten Umstände.2 Zur Wende war besonders auch das alte Dorf Wildenbruch nur ein Schatten seiner selbst.

Ab 1990 begann ein Aufbau anderer Art. Viele Gehöfte wurden aufgekauft und die Herrenhauser, die ehemaligen Viehställe und auch die Scheunen zu Wohnungen umgebaut. Dazu wurde die Infrastruktur auf einen modernen Stand gebracht. Ich staune immer wieder bei meinen Wanderungen und den „Besuch meiner Kindheit“ wieviel Namensschilder jetzt die ehemaligen Bauerngehöfte zieren. Es ist einer der unübersehbaren Beweise für den Slogan „In Berlin arbeiten und im grünen Speckgürtel wohnen“. Es entstanden Gaststätten mit einem zum Teil gehobenen Angebot. Für mich sind aber die alteingesessenen Gaststätten wie die Gaststätte „Hildebrand“ in Wildenbruch, der Jägerhof in Seddin oder die „Reuse“ in Kähnsdorf mit ihrer langen Tradition nach wie vor Vorzeigegaststätten.

In der Reuse soll der in der DDR sehr bekannte Schauspieler und Sänger Manfred Krug bis zu seiner Übersiedlung in die „BRD“ bei einer Tasse Kaffee immer mal wieder anzutreffen gewesen sein. In der Tat hat die Reuse in Kähnsdorf den großen Vorzug eines unübertrefflichen Panoramablicks über den Großen Seddiner See. Leider jetzt eines sterbenden Sees.

Die „moderne“ Wanderbewegung mit Bezug zur Seddiner Seenkette hat mit dem Internet eine große Plattform. Es gibt vielfältige Angebote.

Foto: Siegfried Paul

Der heutige Tagestourismus ist in meiner Einschätzung noch mit viel „Wildwuchs“ behaftet. Der Ortsteil Kähnsdorf versucht die Autolawine zu lenken. Für das Dorf Wildenbruch vermisse ich ein solches Konzept. An den Wochenenden ist das Dorf bei schönem Wetter vollgestopft mit Autos. Das Dorf sollte nur für Anlieger und Versorgungsfahrzeuge zugänglich sein. Die Autos der Tagestouristen vor dem Dorf abgefangen werden. Einige hundert Meter zu laufen, ist wohl nicht zu viel verlangt. Es gibt zwar einen Parkplatz kurz vor dem Dorf, aber dieser ist bei „Hochkonjunktur“ viel zu klein. Es gab in den neunziger Jahren schon einmal einen Vorstoß in dieser Richtung zuzüglich einer kleinen Umgehungsstraße, war aber nicht zur damaligen Zeit umsetzbar. Es sollte ein neuer Versuch vielleicht mit der Umsetzung eines der Rettungsvorschläge für die Seddiner Seenkette versucht werden.    

1 Zittiert nach: Wildenbruch eine Zeitreise. Die Broschüre enthält keine näheren Angaben zu dem Wanderbuch.
2 Siehe Kapitel „Die Bauern und die Seenkette“.

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